Im Gegensatz zu etlichen meiner Yogalehrerkollegen habe ich keinen tänzerischen Hintergrund, war nicht einmal besonders beweglich und eher der rationale Typ. Also ich habe zum Beispiel BWL studiert und danach im Controlling gearbeitet, täglich unzählige Excel-Sheets mit grandiosen Formeln gefüllt, die ich am nächsten Tag oft nicht mehr nachvollziehen konnte. Ich war damals Anfang 20 und viele meiner Freunde studierten noch, bekamen Stipendien für Länder wie Australien oder machten Musik und jobbten nebenher. Mein Beruf entsprach nicht meinem Alter, wie ich damals dachte und liebäugelte mit einer Auszeit in der Ferne. Bei der Geburtstagsfeier einer Schulfreundin stellte mir jemand einen Kontakt nach Indien her. Eine Organisation, bei der man ehrenamtlich arbeiten konnte.
Es war eine reine Bauchentscheidung, dorthin zu gehen. Bis dahin war ich noch nie in Asien gewesen. Ich kündigte meinen Job – ich vermute, dass diverse Nachfolger sich die Zähne daran ausgebissen haben, die Formeln zu knacken – kümmerte mich um Visa, Impfungen, Versicherungen, Flüge, etc…
Für ein halbes Jahr supplierte ich Englisch in einer Schule in Südindien. „Incredible India“ ist der Werbeslogan des Subkontinents und so würde ich auch meine Erfahrung mit dem riesigen Land und seinen Menschen zusammenfassen. Unglaublich. Unfassbar.
In jedem Fall haben mich dann auch liebe Leute aus der Heimat besucht, unter anderem eine Freundin, die mich mehr oder weniger gezwungen hatte, mit ins Yoga zu gehen. Sie war der Ansicht, dass ich mich total auf Indien eingelassen habe und Yoga ein Teil dieses Abenteuers sein sollte. Ich danke ihr noch heute dafür.
Meine erste Yogastunde fand in Varkala, Kerala, statt. Wenn du die Küste Keralas bereits erlebt hast, denkst du vielleicht auch an die wunderbaren Strandlokale, frische Fruchtsäfte ohne Ende und natürlich wunderbares Meer. Ich kann nicht genau wiedergeben, was in meiner ersten Yogaeinheit mit mir passiert ist. Aber ich habe gespürt, dass sie mich nicht nur körperlich in Bewegung bringt. Yoga hat mir den Rahmen präsentiert, bei mir zu sein (geistig, seelisch und körperlich). Ich war mir nahe und dennoch geschützt vor dem „Lärm und Trubel des Alltags“.
Zurück in Wien habe ich dann unterschiedliche Yogarichtungen und –stile ausprobiert, war in Retreats, habe Yogaliteratur aufgesogen und natürlich daheim viel praktiziert. Das Kennenlernen von Yoga Nidra stellte sich als besondere Perle heraus. Auf Yogaurlauben bin ich liebenswerten, spannenden Menschen begegnet, mit denen ich zum Teil heute noch in Kontakt stehe. Es haben sich Freundschaften ergeben, die ich nicht missen möchte. Irgendwann auf einem dieser großartigen Yogaurlaube in Spanien, kam der Wunsch auf, eine Yogalehrerausbildung zu belegen. Zunächst wollte ich mich in die Materie vertiefen. Erst gegen Ende der Ausbildung spürte ich, dass ich auch gerne Yoga unterrichten möchte.
Yoga kam so unerwartet in mein Leben und stellt nach wie vor eines der größten Geschenke dar. Ich bin sehr dankbar, es gefunden zu haben und gebe es mit großer Freude und Dankbarkeit weiter.
Marlies Zwarnig